Als Steffi drei Jahre alt war, kam ihr Onkel mit seiner Schäferhündin Sheila zu Besuch. Steffi spielte gerade im Garten.
Sheila kam in großen Sätzen auf sie zugerannt. Als Steffi den großen Hund immer näher kommen sah, wurde sie ganz starr. Ihr Herz klopfte wie wild und im Bauch hatte sie plötzlich ein großes, schwarzes Loch.
Als Sheila bei ihr war und sie begeistert mit der Nase anstupste, riss sie die Hände hoch und ging ist rückwärts. Sie hatte solche Angst vor dem Hund.
Seitdem sind 30 Jahre vergangen. Aber wenn Steffi heute einem großen Hund begegnet, fängt ihr Herz an wie wild zu klopfen, sie atmet flach und sie zieht die Hände an den Körper. Sie hat jedes Mal wieder Angst. Dabei erinnert sie sich bewusst gar nicht mehr an das Erlebnis als Dreijährige.
Wenn sie mit ihrer Freundin Katrin unterwegs ist und sie einem Hund begegnen, dann erleben die beiden ganz unterschiedliche Situationen. Katrin freut sich, streichelt den Hund und fragt den Besitzer über seinen Liebling aus.
Steffi hält Abstand und möchte so schnell wie möglich weiter gehen. Sie kann sich noch so oft sagen, dass der Hund bestimmt ganz freundlich ist, sie hat trotzdem Angst.
Sie glaubt, dass große Hunde gefährlich sind, auch wenn sie gar nicht weiß warum. Sie wurde nie gebissen. Sie kann ihre Angst nicht erklären. Aber in ihrem System ist abgespeichert: Große Hunde sind gefährlich. Diese Überzeugung wirkt wie ein Filter, durch den sie die Welt sieht.
Der Hund ist nicht die Ursache für Steffis Angst. Er ist nur der Auslöser. Die Ursache für die Angst ist ihre Überzeugung „Große Hunde sind gefährlich.“ Diese Überzeugung hat sie sich in ihrer Kindheit eingefangen.
Was du aus einer optischen Täuschung über dein Gehirn lernen kannst
Wir nehmen die Welt nicht einfach wahr, wie sie ist. Unser Gehirn verändert unsere Sinneswahrnehmungen, und im Bewusstsein kommt eine veränderte Wahrnehmung an.
Das glaubst du nicht? Diese optische Täuschung beweist, dass unser Gehirn uns nicht einfach die Realität zeigt, sondern eine veränderte Realität.
Schau dir die Felder A und B an. Du siehst sicherlich, dass B heller ist als A.
Tatsächlich haben sie aber genau dieselbe Farbe! Deine Augen nehmen für die Felder A und B exakt denselben Grauwert wahr.
Die dunkle Fläche an dem grünen Zylinder wird von deinem Gehirn als Schatten interpretiert. Sachen im Schatten sind heller, als sie scheinen. Deshalb lässt dein Gehirn dich glauben, dass B heller ist als A.
Das folgende Bild zeigt, dass in Wirklichkeit beide Felder dieselbe Farbe haben. Das graue Rechteck ist einfarbig. Wenn du das nicht siehst, verdecke A und B mit der Hand. Dann solltest du sehen, dass das Rechteck einfarbig ist. Wenn du die Hand wieder weg nimmst, dann siehst du, dass das Rechteck dieselbe Farbe hat wie A und auch wie B.
Verblüffend, oder? Selbst wenn du versuchst, zu sehen, dass auf dem ersten Bild das Grau dasselbe ist, gelingt das nicht so einfach. Um die Realität ohne Verzerrung wahrzunehmen, bedarf es für die meisten von uns echter Arbeit.
Es ist nicht schlecht, dass unser Gehirn unsere Wahrnehmung verändert. Der Filter „Dinge im Schatten sind heller als sie scheinen“ ist sehr nützlich.
Schwierig ist es dann, wenn wir durch diese Filter eingeschränkt werden. Steffi hat Angst vor jedem Hund, den sie trifft, weil ihr Verstand den „Große Hunde sind gefährlich“-Filter anwendet. Dabei ist es egal, ob ihr ein Hund begegnet, der freundlich mit dem Schwanz wedelt oder knurrt.
Wenn sie frei von dieser Angst werden möchte, dann muss sie diesen Filter entschärfen. Oft wissen wir nicht, welche Überzeugungen in unserem System gespeichert sind. Der erste Schritt ist, uns bewusst zu werden, welche Überzeugungen wir mit uns herum tragen.
Bevor ich dir erkläre, wie du dir deine belastenden Gedanken entschärfen kannst, gebe ich dir ein zweites Beispiel.
Negative Gedanken sind hartnäckig
Als ich neulich mit meiner Freundin Anna zusammen im Café saß, hat sie einen Tee bestellt. Ich war erstaunt. „Tee?“ habe ich sie gefragt. „Was ist los?“ Bisher hat Anna immer die köstliche, heiße Schokolade bestellt, die die Spezialität dieses Cafés ist.
„Momentan kann ich keine Schokolade trinken. Mir wird schon schlecht bei dem Gedanken daran. Dabei liebe ich heiße Schokolade.“ Sie schaut unglücklich. „Kurz bevor ich vor einigen Wochen eine Magen-Darm-Grippe bekommen habe, habe ich eine heiße Schokolade getrunken. Ich weiß, dass ich nicht deshalb krank geworden bin, aber ich kann momentan einfach keine trinken.“
Vielleicht hattest du selbst schon einmal ein solches Erlebnis. Du hast etwas gegessen oder getrunken, und kurz darauf wurde dir übel. Danach konntest du dieses Essen oder Getränk eine Weile nicht ertragen.
Das ist eine ganz normale Reaktion. Annas System hat heiße Schokolade als Übelkeit verursachend abgespeichert.
Wenn Anna jetzt Schokolade trinkt und ihr schlecht wird, dann liegt das nicht an der Schokolade. Vor ein paar Wochen kam ihr Körper prima mit Schokolade klar. Ihr wird schlecht, weil etwas in ihr glaubt „Schokolade bekommt mir nicht.“
Sie kann sich noch so oft sagen „Das lag doch gar nicht an der Schokolade“. So leicht lässt sich das nicht ändern. Momentan kann sie Schokolade nicht genießen.
Wie lassen sich diese hartnäckigen Überzeugungen also lösen?
The Work of Byron Katie hilft dir, die Welt zu sehen, wie sie ist
Wenn du einmal anfängst darauf zu achten, dann wirst du merken, dass deine Gedanken dein Leben bestimmen.
Glücklicherweise musst du nicht alles glauben, was du denkst.
Die Methode The Work of Byron Katie hilft dir dabei, deine belastenden Überzeugungen zu hinterfragen. Der erste Schritt ist, dass du dir deine belastenden Überzeugungen bewusst machst. In vielen Fällen wissen wir überhaupt nicht, was uns stresst.
Mit dem Arbeitsblatt „Urteile über deinen Nächsten“ kannst du dir deiner stressigen Glaubenssätze bewusst werden.
Vier einfache Fragen, die deine Welt verändern
Wenn du eine belastende Überzeugung gefunden hast, wie zum Beispiel Große Hunde sind gefährlich, dann kannst du sie mit den vier Fragen untersuchen. Dazu denke an eine konkrete Situation, in der du diesen Gedanken gehabt hast. Beschreibe die Situation so, dass du sie bildlich vor Augen hast.
Ich ging die Straße hinunter. Mir kam ein alter Mann mit einer Bulldogge an der Leine entgegen. Der Hund hechelte und sabberte. Ich bin ihm so weit wie möglich ausgewichen. In diesem Moment hatte ich Angst, weil große Hunde gefährlich sind.
1. Ist das wahr? (Dass große Hunde gefährlich sind)
Die Antwort auf diese Frage ist Ja oder Nein. Lass dir Zeit mit der Antwort. Schließe die Augen und höre in dich hinein. Was sagt dein Körper? Ja oder Nein? Beide Antworten sind gleich gut. Sei neugierig auf deine Antwort.
Ja.
2. Kannst du mit absoluter Sicherheit wissen, dass das wahr ist?
Nein.
Diese Frage stellst du dir nur, wenn du auf die erste Frage mit Ja geantwortet hast. Lass dir wieder Zeit.
3. Wie reagierst du und was passiert, wenn du diesen Gedanken glaubst?
Wie fühlst du dich? Wie verhältst du dich? Beschreibe, welche Folgen es hat, wenn du den Gedanken in dieser Situation glaubst.
Mein Herz klopft. Mein Mund ist trocken. Ich überlege, ob ich die Straßenseite wechsele, weil der Bürgersteig so schmal ist. Ich habe Angst. Ich finde den Mann unsympathisch. Warum muss der in der Stadt so einen großen Hund haben? Der Hund kommt mir riesengroß vor. Ich finde ihn gruselig und hässlich. Ich sehe seine Sabbertropfen ganz genau, wie durch ein Vergrößerungsglas. Ich fühle mich zitterig und schwach. Ich bin alarmiert und schreckhaft.
4. Wer wärst du ohne den Gedanken?
Diese Frage ist eine Einladung, die Welt für einen Moment ohne den Filter dieses Gedanken zu sehen. Die Situation bleibt wie sie ist. Der einzige Unterschied: Stell dir vor, du hättest diesen Gedanken nicht.
Ich bin ruhig. Ich sehe den Mann und den Hund. Ich sehe die Mutter mit ihrem Kind hinter dem Mann. Mein Blick ist weiter. Ich fühle den Boden unter den Füßen. Ich bemerke, dass der Hund sich ganz langsam bewegt. Ich fühle die Sonne auf meiner Haut. Ich atme tief. Ich fühle mich wohl.
Warum es Wunder wirkt, wenn du deinen Blick erweiterst
Kommen wir noch einmal dazu zurück, wie unsere Wahrnehmung funktioniert. In jedem Moment nehmen unsere Augen, unsere Ohren, unsere Nase, unser Mund und unsere Haut eine unvorstellbar große Menge an Informationen wahr. Viel mehr als unser Verstand verarbeiten kann.
Deshalb filtert unser Gehirn diese Informationen radikal aus. Nur ein winzig kleiner Teil kommt in unserem Bewusstsein an. Diese Auswahl bestimmt unsere Welt. Diese Auswahl ist unsere Welt. Wir haben bereits gesehen, dass unser Verstand diese Auswahl auch noch verändert.
Das hat ziemlich lustige Effekte. Hast du schon einmal etwas von Veränderungsblindheit gehört? Simons und Levi haben 1998 begonnen, diesen Effekt zu erforschen. Im folgenden Video wird ihr Versuch wiederholt. Das Video ist 4:22 min lang und du brauchst keinen Ton, um es anzusehen. Es zeigt auf überraschende Weise, wie wenig Menschen von ihrer Umwelt bewusst wahrnehmen. Du wirst absolut erstaunt sein, wenn du es noch nicht kennst!
Kopfstand für deinen Verstand
Nachdem wir eine belastende Überzeugung mit den vier Fragen untersucht haben, kehren wir sie ins Gegenteil um und suchen Belege dafür, dass diese Umkehrung auch wahr ist.
Anfangs kann man denken, dass das nicht geht, dass man Belege für das Gegenteil findet. Aber weil wir nur so einen kleinen Teil der Realität wahrnehmen, wie du gerade im Video gesehen hast, funktioniert das quasi immer. Es gibt so viel zu entdecken!
Um wirklich etwas Neues zu entdecken, musst du dir Zeit lassen und geduldig sein. Es kann anfangs auch anstrengend sein, diese Beispiele zu suchen. Dein Verstand wird seine Version der Geschichte verteidigen! Es ist viel energiesparender für dein Gehirn, bei dem zu bleiben, was es schon kennt.
Du kannst Gedanken auf verschiedene Weisen umkehren. Eine einfache Möglichkeit ist es, das Gegenteil zu bilden. Aus Große Hunde sind gefährlich wird dann Große Hunde sind nicht gefährlich oder Große Hunde sind sicher.
Für jede Umkehrung finde mindestens drei Beispiele, warum sie für dich wahr ist.
Große Hunde sind nicht gefährlich.
- Die Bulldogge, an der ich vorbeigegangen bin, hat sich nicht für mich interessiert. Sie hat mir nichts getan.
- Mich hat noch nie ein großer Hund gebissen.
- Ich habe noch nie gehört, dass jemand durch einen Hund getötet wurde. Die meisten Verletzungen durch Hunde verheilen völlig.
Große Hunde sind sicher.
- Ohne den Gedanken Große Hunde sind gefährlich habe ich mich wohl und sicher gefühlt, obwohl ich nah an einem großen Hund vorbeigegangen bin.
- Blindenhunde beschützen ihre Herrchen und Frauchen und machen ihren Alltag sicherer.
- Sehr viele Menschen halten große Hunde und im Vergleich passiert nur sehr selten etwas.
- Lawinenhunde retten Verschütteten das Leben.
- Studien zeigen, dass Menschen mit Hunden sich wohler fühlen und gesünder sind.
Du kannst Gedanken über andere auch zu dir umkehren. Aus Große Hunde sind gefährlich wird dann Ich bin gefährlich. Wie ist das in der Situation wahr?
Ich bin gefährlich.
- Als mir der Mann und der Hund entgegen kommen, nehme ich nur den Hund wahr und nichts von meiner Umgebung. Das kann im Straßenverkehr gefährlich sein.
- Meine Gedanken sind gefährlich: Ich sehe Bilder davon, wie die Bulldogge mich angreift. Diese gefährlichen Bilder leben in meiner Vorstellung. In der Realität findet das nicht statt.
- Ich finde den Mann unsympathisch und den Hund gruselig, dabei kenne ich sie gar nicht.
Wenn du magst, kannst du nach der Untersuchung testen, was du nun für wahrer hältst. Den Gedanken, den du überprüft hast, oder eine der Umkehrungen.
Funktioniert das auch für mich?
In diesem Artikel habe ich dir Argumente geliefert, warum The Work of Byron Katie funktioniert. Inzwischen gibt es zahlreiche Forschungsstudien, die die Wirksamkeit der Methode, für verschiedene Arten von Stress belegen. Im März beginnt eine weitere Studie an der Universität Bern, bei der es um das Thema Körperzufriedenheit geht. Du kannst teilnehmen, wenn du möchtest, und The Work im Rahmen der Studie kennen lernen.
Um herauszufinden, ob The Work für dich funktioniert, probiere es aus! Das ist gar nicht schwer. Schreibe eine belastende Überzeugung auf und untersuche sie mit den vier Fragen und den Umkehrungen. Dazu kannst du das Arbeitsblatt „Untersuche eine Überzeugung“ verwenden.
Wenn es dir schwer fällt, stressvolle Überzeugungen zu finden, nimm an meinem kostenlosen 7-tägigen Email-Kurs teil, um deine Gedanken näher kennen zu lernen.
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