Willst du den wirklichen Grund wissen, warum du dich aufregst?

Gibt es Dinge, mit denen man dich ganz schnell auf die Palme bringen kann? Die meisten Menschen können bestimmte Verhaltensweisen, die ihre Mitmenschen zeigen, nicht gut ertragen.

 

Das ist ganz normal. Ich gebe dir ein paar Beispiele aus meinem Leben: Ich werde schnell wütend, wenn andere mich auf der Straße, im Supermarkt oder im Zug andrängeln.

 

Ich kann es nicht gut ertragen, wenn mein Partner so leise spricht, dass ich ihn nicht verstehen kann.

 

Was sind deine Beispiele? Macht es dich rasend, wenn dir jemand die Vorfahrt nimmt? Oder wenn deine Mitreisenden in der Bahn oder im Bus telefonieren oder sich laut unterhalten?

 

Vielleicht merkst du auch, wie sich dein Puls beschleunigt, wenn deine Kollegin oder deine Mutter in diesem ganz bestimmten Ton mit dir spricht. Oder du regst dich jedes Mal total auf, wenn du in einer Telefonhotline hängst, in der man dir nicht hilft.

 

Es fühlt sich nicht gut an, so getriggert zu werden. Es kann sein, dass du dich deinem Ärger hilflos ausgeliefert fühlst und auf eine Weise reagierst, die dir hinterher unangenehm ist. Es ist schon dumm, dass diese Situationen immer wieder auftauchen..

 

Aber ich habe eine gute Nachricht für dich. Diese Situationen sind deine Tür zu mehr Freiheit. Hast du schon einmal darüber nachgedacht, warum dich manche dieser Situationen so aufregen und andere nicht? Wenn du dir die Liste von Beispielen im ersten Absatz anschaust, dann regst du dich wahrscheinlich nicht in allen diesen Situationen auf.

 

Vielleicht taucht deine typische Aufreger-Situation gar nicht in der Liste auf. Für andere Menschen sind das aber Aufreger-Situationen. Ich kenne für jedes Beispiel jemanden, der sich in der genannten Situation wirklich aufregt. Das heißt, dass es viel mit der Person zu tun hat, die sich aufregt, oder?

 

Es ist zum Beispiel »mein Ding«, dass ich mich so ärgere, wenn mein Mann zu leise für mich spricht. Ich weiß, dass andere sich darüber nicht ärgern, wenn ihr Partner oder ihre Partnerin leise spricht. Es ist auch meine Sache, dass ich es nicht leiden kann, wenn mich jemand andrängelt.

 

Die Erkenntnis, dass das viel mit mir zu tun hat und nicht so viel mit meinem Partner oder den Menschen im Supermarkt, ist eine gute Nachricht. Mich selbst kann ich ändern, andere Menschen eher nicht. Diese Erkenntnis hilft mir dabei, mich dafür zu interessieren, was hinter meinem Ärger steckt. Wo ist nun die Tür zur Freiheit?

 

Suche dir eine konkrete Aufreger-Situation. Schließe die Augen. Welche Situation taucht auf? Sieh dir die Szene vor deinem geistigen Auge an. Wann war das? Wo war das? In welchem Moment hast du dich aufgeregt? Wer hat dich geärgert?

 

Hier ist mein Beispiel: Vor 10 Tagen bin ich mit dem Kinderwagen durch die Fußgängerzone gegangen. Es war voll. Ich habe mich geärgert, dass mir niemand Platz gemacht hat. Ganz konkret erinnere ich mich an einen Mann, der mir entgegen kam und fast gegen das Kopfteil des Kinderwagens gelaufen ist. In diesem Moment habe ich mich aufgeregt. Zurück zu deiner Situation.

 

Warum hast du dich aufgeregt? Fülle über diese Situation ein Arbeitsblatt aus. In diesem Video begleite ich dich dabei. Während du deine Gedanken aufschreibst, koste es aus, dir genau zuzuhören und dich ernstzunehmen.  Hast du ein Arbeitsblatt über eine deiner typischen Aufreger-Situationen ausgefüllt? Dann lies es dir laut vor.

 

Wie fühlt sich das an? Stehen Sätze auf dem Arbeitsblatt, die dich überraschen? Dann hinterfrage die Sätze, die du auf das Arbeitsblatt geschrieben hast, mit den vier Fragen und den Umkehrungen. Das ist deine Chance, deine Wahrheit zu entdecken und zu lernen, warum du dich bisher immer so aufgeregt hast. Was liegt hinter diesem Ärger?

 

Ich habe ein Arbeitsblatt über diesen Mann in der Fußgängerzone ausgefüllt und es mit den vier Fragen und den Umkehrungen überprüft. Ich gebe dir ein paar Beispiele, was ich über mich erfahren habe.

 

Auf meinem Arbeitsblatt steht unter anderem der Gedanken »Ich will, dass er mir Platz macht.« Bei der dritten Frage »Wie reagierst du und was passiert, wenn du diesen Gedanken denkst?« habe ich erfahren, dass in mir ein Gorilla wach wird, wenn ich diesen Gedanken glaube. Ich bausche mich auf, mache mich groß, brülle und drohe. Ich mache das in der Fußgängerzone zwar nur innerlich, aber es fühlt sich ziemlich unfreundlich an und ich bin mir sicher, dass ich zumindest die Augenbrauen zusammenziehe und unfreundlich schaue.

 

Mir ist klar geworden, dass ich mich über den Mann stelle, wenn ich das glaube. Ich begegne ihm nicht gleichgestellt, sondern ich erwarte, dass er mir ausweicht. Ich fahre mit dem Kinderwagen stur auf ihn zu. Ich bin nicht offen für andere Möglichkeiten.

 

In der vierten Frage habe ich gesehen, dass ich ihm ohne den Gedanken offen gegenüber treten würde. Ich würde ihm ins Gesicht schauen und würde Blickkontakt aufnehmen. In diesem Blickkontakt bin ich dafür offen, dass ich ausweiche. Es fühlt sich so viel besser an, ihm gleichgestellt gegenüber zu treten, und es ist so viel freundlicher zu mir und zu ihm.

 

Die Umkehrung »Ich will, dass ich mir Platz mache.« ist für mich besonders treffend. Ich will, dass ich mir Platz mache für eine andere Sichtweise. Ich will, dass ich in mir Platz habe, offen zu sein für verschiedene Möglichkeiten. Ich will, dass ich in mir den Raum habe, dem Mann auszuweichen und den Gorilla an die Hand zu nehmen. Diese Geschichte, dass die anderen mich bedrängen, lässt mir keinen Platz zum Atmen.

 

Auf meinem Arbeitsblatt steht auch »Er sollte dem Kinderwagen ausweichen.« Hier war für mich die Umkehrung »Ich sollte dem Kinderwagen ausweichen.« besonders interessant. Wenn mir jemand mit einem Kinderwagen entgegenkommt, weiche ich nämlich nicht immer aus.

 

Ich erinnere mich an verschiedene Situationen, in denen ich das nicht gemacht habe. Zum Beispiel, wenn es sehr voll ist, weiche ich nicht jedem Kinderwagen aus. In der Fußgängerzone war es auch voll... Ich befolge also meine eigene Regel nicht, möchte aber von dem Passanten, dass er sie befolgt. Darüber kann ich jetzt lachen.

 

Nachdem ich das Arbeitsblatt überprüft habe, habe ich festgestellt, dass ich viel ruhiger und besonnener mit dem Kinderwagen unterwegs bin. Ich habe bemerkt, dass meine Angst verschwunden ist, dass jemand in das Kopfteil des Kinderwagens laufen könnte und meinem Kind weh tut. Das ist wieder ein kleines Stück Freiheit mehr für mich.

 

Zurück zu dir und deiner Aufreger-Situation. Was hast du herausgefunden? Wo bist du stecken geblieben? Schreibe mir eine Nachricht oder erzähl mir in den Kommentaren davon.

 

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Kommentare: 2
  • #1

    Mena (Dienstag, 25 Dezember 2018 09:15)

    Es ärgert mich immer masslos, wenn Hundebesitzer mit grossen Hunden ihre Hunde nicht anleinen und auf meinen kleinen, angeleinten Hund zustürzen lassen. Dabei wurde er schon zweimal tief gebissen und ich habe jedes mal Angst davor, dass es wieder passieren könnte. Diese Situationen triggern mich jedes Mal.

  • #2

    Yvonne Knittel (Freitag, 24 Juli 2020 18:24)

    Ich kann mich u.a. über die (vermeintlichen) Fehler anderer aufregen. Bin mir selbst gegenüber aber durchaus genauso kritisch.
    Und da gibt es leider noch eine ganze Reihe anderer Dinge ...
    Ich werde weiter in deinem Blog lesen.